Materialien zum Nationalsozialismus
Vermögensentzug, Rückstellung und Entschädigung in Österreich

Protokoll


Zu Gesetz: BGBl Nr. 165/1956
Zu Ausschussbericht:Bericht des Finanz- und Budgetausschusses
Nachweis:GP VIII, SNr. 6
Datum:25.07.1956
Protokoll im Original

S. 187ff. Abg. Johann Koplenig (KuL) betont, dass der Gesetzesentwurf die Interessen von etwa 20.000 Arbeitern und Angestellten in den ehemaligen USIA- und den Erdölbetrieben berühre und die grundsätzliche Frage der Verstaatlichung aufwerfe. Der Staatsvertrag habe Österreich Milliardenwerte in die Hand gegeben, die nun – statt richtig genützt – bloß verwertet würden. Die Reprivatisierung ehemaliger USIA-Betriebe sei eine „Verschleuderung wertvollsten Besitzes“ (S. 189), das Gesetz eine „einseitige Bevorzugung kapitalistischer Interessen“ (S. 190). Koplenig kritisiert außerdem die nachteiligen Regelungen, die das Gesetz für Arbeiter und Angestellte in den ehemals sowjetisch verwalteten Betrieben trifft (z.B. die Außerkraftsetzung von nach dem 1.1.1955 erlassenen Arbeitsordnungen). Diese „arbeiterfeindliche[n] Ausnahmegesetze“ (S. 193) seien ein „Angriff auf erworbene Rechte“ (S. 192), gegen die eigentlich auch die Gewerkschaftsfunktionäre unter den Regierungsmitgliedern auftreten müssten. Koplenig legt in dieser Sache zwei Anträge vor, die aber nicht genügend unterstützt werden. Abg. Alfred Migsch (SPÖ) bezeichnet die „Einordnung der ehemaligen exterritorial geführten USIA-Betriebe in die österreichische Wirtschaft“ als „eine der schwierigsten Operationen, für die es in der Geschichte kein Beispiel gibt“ (S. 194). Die Sozialisten haben die USIA-Betrieb, die ausschließlich für den Ostblock produziert und sonst keinen Kundenstock aufgebaut haben, nie akzeptiert. Im jetzt notwendigen Reorganisationsprozess müssten alle Opfer bringen, aber natürlich ginge es nun um eine „volkswirtschaftlich richtige und vernünftige Verwertung“ (S. 196) des Vermögens. Ereignisse, wie man sie bei den Arisierungen erlebt habe, dürfen sich nicht wiederholen. Migsch spricht dann noch die Esterházy-Güter an, deren Pächter bis 1957 eine Atempause erhalten. Abg. Helfried Pfeifer (FPÖ) bezeichnet es in seiner rechtswissenschaftlichen Rede als Unrecht, dass das (deutsche) Privateigentum für Entschädigungszwecke herangezogen wird und sieht sich in dieser Auffassung von vielen Seiten (Völkerrecht, Menschenrechtskonvention, usw.) unterstützt. Die Unverletzlichkeit des Eigentums werde durch das Staatsvertragsdurchführungsgesetz beschädigt, es handle sich um Enteignung. Abg. Rudolf Reisentbauer (ÖVP) verweist auf die Komplexität des Problems (es gebe mehr als 4.000 deutsche Vermögenswerte, darunter mehr als 800 Betriebe), referiert nochmals die Punkte des Gesetzes und bezeichnet es als „Anfang einer beginnenden Ordnung der verworrenen Nachkriegsverhältnisse des ehemaligen deutschen Eigentums in Österreich“ (S. 208).